Ulitzkaja, Ljudmila by Die Luegen der Frauen

Ulitzkaja, Ljudmila by Die Luegen der Frauen

Autor:Die Luegen der Frauen
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-23T16:00:00+00:00


Die Kunst zu leben

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Diese verfluchten Markkürbisse gingen ihr tagelang nicht aus dem Sinn. Schließlich kaufte sie fünf Stück - sie waren blaßgrün, glatt und glänzend. Sie schmorte sie spätabends, machte am nächsten Morgen rasch eine Soße dazu und bat Grischa, das Essen zu Lilja zu bringen. Außer den Schmorkürbissen noch einen Rote-Bete-Salat und einen Quarkaufstrich. Lilja hatte praktisch kaum noch Zähne. Und nur wenig Verstand. Ebenso wie Schönheit. Im Grunde bestand sie aus einem großen fetten Körper und einer stillen Hilfsbereitschaft. Still war ihre Hilfsbereitschaft erst durch ihre Krankheit geworden; als Lilja noch gesund war, hatte ihre Hilfsbereitschaft gelärmt, gejammert, gescholten und sogar ein wenig aufdringlich danach verlangt, sich ihrer zu bedienen. Und jeder, der wollte, bediente sich. Amüsanterweise war Lilja, deren Mädchenname Aptekman war, von Beruf Apothekerin. Provisor, wie man früher sagte. Dreißig Jahre hatte sie in ihrer Apotheke gestanden, hatte jeden ohne Unterschied angelächelt und sich bemüht, jedem das Gewünschte auszuhändigen, es zu besorgen, aufzutreiben... Dann kam plötzlich der Schlaganfall, und nun humpelte sie schon seit drei Jahren an einem soliden ausländischen Stock mit Armstütze durch die Wohnung und zog das linke Bein nach. Auch der linke Arm diente im Grunde nur noch zur Zier - er war zu nichts mehr nütze.

Shenja konnte Lilja Aptekman von Kindheit an nicht ausstehen. Damals wohnten sie im selben Haus in einer alten Straße, die inzwischen dreimal umbenannt worden war. Ihre Eltern hatten sich gekannt. Es hieß sogar, Shenjas Großvater habe mit achtzig um Liljas Großmutter angehalten, damals eine rüstige Greisin von fünfundsechzig Jahren. Aber das glaubte Shenja nicht recht: Was hätte ihr gebildeter Großvater, ein ehrwürdiger HNO-Arzt, der Schubert und Schumann liebte und Cicero im Original las, schon an Liljas Großmutter finden können, einer ewig lächelnden seidenweichen Kommode mit Schnurrbart und dem Singsang der ukrainischen Stetlbewohnerin? Liljas poltrige Art, ihre Verfressenheit und ihre unmäßige Neugier brachten Shenja damals zur Weißglut. Lilja dagegen suchte Shenjas Freundschaft - doch Shenja ließ sie nicht an sich heran.

Dann zogen Aptekmans aus, Shenja und Lilja sahen sich viele Jahre nicht und dachten nie aneinander. Und so wäre es vielleicht bis zu ihrem Tode geblieben, hätte nicht Shenja vor zehn Jahren ganz Moskau abgeklappert nach einem raren, schwer zu bekommenden Medikament für ihre todkranke Mutter, und hätte nicht eine entfernte Freundin ihr versprochen, das nötige Medikament über eine andere entfernte Freundin, eine Apothekerin, zu besorgen. Auch da hatte Shenja noch nicht geahnt, daß diese Apothekerin Lilja Aptekman war. Dann rief die bis dahin unerkannt gebliebene Apothekerin sie überraschend an, erkundigte sich nach der genauen Dosierung, bat jemand anderen um Hilfe, bestellte das Medikament irgendwo, was erst nicht klappte, doch nach etwa zwei Wochen rief sie wieder an und teilte Shenja freudig mit, daß sie es besorgt habe. Shenjas Mutter bekam bereits ein anderes, schwerer verträgliches Präparat, und es ging ihr sehr schlecht - Shenja saß tagelang bei ihr im Krankenhaus. Die Apothekerin wollte ihr das Medikament selbst vorbeibringen - sie sagte, es liege auf ihrem Weg, sie wohne zwei Haltestellen weiter.

Shenja öffnete einer unbekannten dicken Matrone mit



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